Düsseldorf, 02. Juni 2017 –
Dass die gesetzliche Rente nicht reichen wird, um den Lebensunterhalt im Alter zu decken, ist seit mehr als 30 Jahren bekannt. Viele Menschen sorgen aber immer noch zu wenig zusätzlich vor – zum Teil auch, weil ihnen die Mittel dazu fehlen. Deshalb will die Regierung mehr Beschäftigten vor allem in kleineren Unternehmen und mit geringeren Gehältern eine Betriebsrente ermöglichen. Kürzlich wurden erste Formulierungen zum Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) bekannt. Am 1. Juni hat der Bundestag das Gesetz als eines der letzten in dieser Legislaturperiode beschlossen. Im Anschluss muss noch der Bundesrat der Neuregelung zustimmen, die dann zum Jahresbeginn 2018 in Kraft treten soll. Wichtige Fragen dazu beantwortet der Arag-Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer.
Herr Klingelhöfer! Warum ist das Gesetz überhaupt notwendig?
RA Tobias Klingelhöfer: Viele Arbeitnehmer sorgen nicht ausreichend oder überhaupt nicht für das Alter vor. Doch die gesetzliche Rente wird in Zukunft für die meisten Beschäftigten nicht mehr für den Lebensunterhalt reichen. Deshalb muss die Regierung mehr Arbeitnehmern eine Betriebsrente ermöglichen. Bisher haben nämlich mehr als die Hälfte aller Beschäftigten mit weniger als 1.500 Euro Netto-Monatsverdienst weder eine Betriebsrente noch eine staatlich geförderte private Riester-Rente.
Wie soll die betriebliche Altersversorgung (bAV) gestärkt werden?
RA Tobias Klingelhöfer: Um die bAV aus ihrer Nebenrolle bei der Altersversorgung herauszuholen, setzt das neue BRSD vor allem auf die Tarifpartner. Mit dem neuen Tarifpartnermodell sollen sie künftig auf tariflicher Grundlage reine Beitragszusagen einführen dürfen. Dabei sind Mindest- oder Garantieleistungen für Arbeitnehmer verboten. Im Gegenzug können Arbeitgeber von der Haftung befreit werden. So können auch kleine und mittlere Betriebe Betriebsrenten anbieten.
Mit diesem Garantieverbot sind die Arbeitgeber aber fein raus, oder?
RA Tobias Klingelhöfer: Die Arbeitgeber bleiben natürlich in der Verantwortung. Sie werden durch das Gesetz zu einem Zuschuss verpflichtet, wenn ihr Angestellter einen Teil seines Gehalts sozialabgabenfrei in einen Zahlbetrag für die Betriebsrente umwandelt – die sogenannte Entgeltumwandlung. Denn auch der Arbeitgeber spart ja durch die Umwandlung einen geringen Teil der Sozialbeiträge ein, die er sonst für den Arbeitnehmer zahlen müsste. Der Arbeitgeber-Zuschuss beträgt künftig 15 Prozent des Sparbeitrags des Arbeitnehmers zur Betriebsrente. Für Neuverträge gilt dies ab 2018, für bestehende Verträge ab 2022.
Wird die bAV auch steuerlich unterstützt?
RA Tobias Klingelhöfer: Ja! Der Staat erhöht den Förderrahmen für Arbeitnehmer: Künftig können sie von ihrem Lohn bis zu rund 6.000 Euro im Jahr oder acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (West) steuerfrei in Vorsorgebeiträge umwandeln. Bisher lag diese Obergrenze bei der Hälfte.
Was wird gezielt für Geringverdiener getan?
RA Tobias Klingelhöfer: Für Arbeitnehmer, die bis 2.200 Euro brutto im Monat verdienen, erhalten Arbeitgeber einen Steuerzuschuss von 30 Prozent, wenn sie 240 bis 480 Euro im Jahr zusätzlich zum Lohn in die betriebliche Altersvorsorge einzahlen.
Ändert sich auch etwas bei der Grundsicherung im Alter?
RA Tobias Klingelhöfer: Ja! Wer in eine Betriebsrente eingezahlt hat, aber trotzdem im Alter auf die Grundsicherung angewiesen ist, soll von einem Freibetrag profitieren. Mindestens 100 Euro im Monat und höchstens 202 Euro sollen nicht auf den Hartz-IV-Satz angerechnet werden.
Ist die Betriebsrente als Vorsorge aus Ihrer Sicht denn jetzt der Königsweg für Arbeitnehmer?
RA Tobias Klingelhöfer: Nun, es ist sicher sinnvoll, die gesetzliche Rentenversicherung durch eine kapitalgedeckte Absicherung zu ergänzen. Jedoch wechseln viele Beschäftigte heute den Arbeitsplatz öfter als früher und sogar die Branche, in der sie arbeiten. Diese Flexibilität wird heutzutage von Arbeitnehmern sogar erwartet. Sie benötigen aber eine private Altersvorsorge, die nicht direkt am Arbeitsplatz anknüpft, sondern von diesem unabhängig ist.