Hamburg, 27. Dezember 2017 –
Das Jahr 2017 nähert sich seinem Ende und viele Bundesbürger blicken mit Spannung auf das kommende Jahr. Wer wird Deutschland zukünftig regieren? Bleibt die Wirtschaft stabil? Wer gewinnt die Fußball-Weltmeisterschaft? Wie entwickelt sich die Flüchtlingssituation? Und wie entwickelt sich die Lage in Nordkorea und den USA? All diese Fragen werden zweifellos das kommende Jahr begleiten. Was aber erwarten die Bundesbürger von der entfernteren Zukunft? Und wie stellen sie sich das Leben im Jahr 2030 vor? Diese Fragen standen im Fokus der neuesten Untersuchung der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Sie befragte hierfür über 2.000 Bundesbürger ab 14 Jahren in persönlichen Interviews zu ihren Erwartungen für das Jahr 2030.
Ein Kernergebnis lautet: Deutschland ist und bleibt in vielerlei Hinsicht das Land der Skeptiker und Pessimisten. So erwarten beispielsweise 84 Prozent der Befragten eine starke Zunahme der Kriminalität im Internet. 2008 waren es „nur“ 67 Prozent. Die Angst vor Verbrechen sieht der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Professor Dr. Ulrich Reinhardt, jedoch nicht nur online: „Ob Angst vor Terroranschlägen oder Überfremdung, Einbrüchen oder dem Klimawandel – viele Bundesbürger haben das Gefühl, in unsicheren Zeiten zu leben. Parallel verlieren sie zunehmend das Vertrauen in Politik, Unternehmen und Medien. All diese Institutionen sind daher gefordert, mehr Sicherheit, Beständigkeit und Optimismus zu vermitteln sowie langfristige Lösungswege einzuschlagen.“
Als eine durchaus realistische Sicherheitsmaßnahme schätzen die Bürger hierbei u.a. eine flächendeckende Videoüberwachung ein. 71 Prozent glauben, dass sie 2030 Realität sein wird. Vor allem die jüngeren Bundesbürger können sich eine Zukunft vorstellen, in der die Sicherheit wichtiger ist als die Privatsphäre.
Auch in anderen Bereichen äußern die Bundesbürger Bedenken. Weder glauben sie an eine Lösung globaler Herausforderungen wie den Klimawandel (26%), noch zeigen sie sich zuversichtlich bei lokalen Problemen wie der Verbesserung der Wohnraumsituation. So erwartet nicht nur mehr als jeder Zweite (53%), dass die Warmmiete zukünftig doppelt so hoch sein wird wie die Kaltmiete. Auch gehen zwei Drittel aller Bundesbürger (66%) von einer zunehmenden räumlichen Spaltung der Gesellschaft aus. Vor allem Besserverdienende können sich vorstellen, 2030 in abgeschotteten Wohnanlagen nur mit ihresgleichen zu leben, während wiederum andere Stadtteile hauptsächlich von Einkommensschwachen bewohnt werden. Letzteres erwarteten 2008 noch deutlich weniger Bundesbürger (53%).
Hoffnungsvoller als in der Vergangenheit begegnen die Bundesbürger dem Klimawandel. Konnte sich 2008 lediglich jeder Achte (12%) vorstellen, dass der Klimawandel dank technischer Entwicklungen gelöst wird, ist es aktuell immerhin jeder Vierte (26%). Optimistisch beurteilen zudem fast drei Viertel die Entwicklung der Solar- und Windenergie (2017: 71%; 2008: 52%) und erwarten zukünftig, die Hälfte des gesamten Energiebedarfs hiermit abzudecken. So folgerte Reinhardt: „Berichterstattungen und öffentliche Debatten in Kombination mit staatlichen Fördermaßnahmen haben zu einem Bewusstseinswandel geführt. Der dauerhafte Erhalt der Umwelt liegt immer mehr Bürgern am Herzen, wodurch auch die Bereitschaft, tatsächlich selber etwas für den Erhalt der Natur zu tun, steigt.“
Deutlich verändert hat sich der Blick auf die Zukunft der Bildung. Statt klassischer formaler Bildungsinhalte in Schulen und Universitäten erwartet 2030 fast jeder zweite Bürger (44%) eine Fokussierung auf informelle Bildungsinhalte (z.B. Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen). Die Zustimmung zu diesem Statement hat sich seit 2008 verdoppelt (2008: 22%).
In Hinblick auf das Thema Service und Beratung geht fast jeder zweite Bundesbürger (45%) von einer zunehmenden Bedeutung dessen aus. Die Verdreifachung des Wertes im Vergleich zur Vergangenheit (2008: 15%) deutet auf ein Ende des gegenwärtigen „Möglichst-günstig-Trends“ hin. Laut Reinhardt offenbart diese Antwort auch einen starken Wunsch der Befragten: „Zunehmend mehr Bürger sind es leid, permanent nur nach dem besten Preis zu suchen und trotzdem ständig das Gefühl zu haben, diesen nicht zu finden. Gerade in einer gesättigten Gesellschaft geht es daher immer öfter nicht nur um den Erwerb von Produkten, sondern auch um das Erlebnis des Einkaufens. Man möchte mit allen Sinnen konsumieren, eine gute Beratung vorfinden und sich als Kunde wieder wie ein König fühlen – hierfür ist man dann auch bereit, einen fairen Preis zu bezahlen.“
Reinhardt ist sich deshalb sicher: „Zukünftig werden sich nicht nur Anbieter mit den billigsten Angeboten durchsetzen, sondern zunehmend diejenigen mit dem besten Service.“
Sehr positiv stehen die Bundesbürger auch dem Thema Familie gegenüber. Die große Mehrheit (91%) stimmt der Aussage zu: „Familie ist 2030 das Wichtigste im Leben.“ Gerade in unruhigen Zeiten beweist sie sich als eine Konstante im Leben und erlebt in jeglicher Hinsicht eine Renaissance. Ebenso zeichnet sich auch ein Anstieg der Mehrgenerationenhaushalte ab, die einerseits finanziell notwendig und anderseits – gerade von der jungen Generation – auch gesucht, geschätzt und gewünscht werden.
Ein abschließendes Fazit von Reinhardt lautet: „Das Leben im Jahr 2030 wird in vielen Bereichen anders sein als heute. Die Ängste und Sorgen der Bevölkerung vor diesen Veränderungen müssen ernst genommen werden. Statt nur Antworten auf die Frage ‚Wie werden wir in Zukunft leben?‘ zu suchen, sollte sich zunächst darauf konzentriert werden, wie wir in Zukunft leben wollen. Denn ganz gleich, welche Möglichkeiten wir zukünftig haben, der Mensch mit all seinen Bedürfnissen muss stets im Mittelpunkt aller Veränderungen stehen, so dass das Leben auch in Zukunft lebenswert bleibt.“