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Etappensieg für Airbnb: Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz teilweise verfassungswidrig – Darf Vermietungsverbot rückwirkend gelten?

Berlin, 07. April 2017 –
Darf das Zweckentfremdungsverbot rückwirkend gelten? Dies soll nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin setzte nun 41 Berufungsverfahren aus und legte die Frage in Karlsruhe vor.

In Berlin gilt seit dem 1. Mai 2014 ein Ver­bot der Zweck­ent­frem­dung von Wohn­raum. Seit­her darf Wohn­raum we­gen ei­ner be­son­de­ren Ge­fähr­dung der Wohn­raum­ver­sor­gung nur mit Ge­neh­mi­gung des zu­stän­di­gen Be­zirks­amtes zu ande­ren als Wohn­zwecken ge­nutzt wer­den. Als Zweck­ent­frem­dung gilt u.a. die Nut­zung als Ferien­woh­nung oder die Nut­zung für ge­werb­liche oder be­ruf­liche son­stige Zwecke. Das neue Ber­liner Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot-Ge­setz unter­stellt aber nicht nur vor­han­de­nen Wohn­raum dem Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot. Viel­mehr wer­den auch Räu­me, die zur dau­ern­den Wohn­nut­zung nur geeig­net sind, aber im Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens des Ver­bots be­reits zu ande­ren Zwecken, z.B. als Ferien­woh­nung oder als Rechts­an­walts­kanz­lei, ge­neh­mi­gungs­frei ge­nutzt wur­den, in den Be­griff des Wohn­raums und damit in das Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot ein­be­zo­gen (Rück­wir­kung).

Die Kläger und Kläge­rin­nen meh­re­rer Be­ru­fungs­ver­fah­ren sind Eigen­tü­mer/in­nen bzw. Mie­ter/in­nen von sol­chen Räu­men, die be­reits vor Inkraft­tre­ten des Ver­bots als Ferien­woh­nun­gen ge­nutzt wur­den und auch wei­ter­hin als sol­che ge­nutzt wer­den sol­len. Sie begeh­ren die Ertei­lung soge­nann­ter Ne­ga­tiv­at­tes­te, mit de­nen das zu­stän­dige Bezirks­amt bestä­ti­gen soll, dass für die Nut­zung der Räu­me eine zweck­ent­frem­dungs­recht­liche Geneh­mi­gung nicht erfor­der­lich ist. Ihre Kla­gen hat­ten vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin kei­nen Er­folg.

Auf ihre Berufungen hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg die Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die Fra­ge zur Ent­schei­dung vor­ge­legt, ob die Rege­lun­gen des Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot-Ge­set­zes inso­weit verfas­sungs­ge­mäß sind, als sie sich Rück­wir­kung bei­mes­sen. Zwar sei an­ge­sichts der vom Se­nat von Ber­lin vor­geleg­ten Zah­len die Annah­me einer beson­de­ren Gefähr­dung der Wohn­raum­ver­sor­gung in Ber­lin nicht zu bean­stan­den. Das Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot sei des­halb aus Sicht des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts recht­mä­ßig, so­weit es um den Schutz des Wohn­raum­be­stan­des gehe. So­weit das Ge­setz aber eine vor dem 1. Mai 2014 begon­ne­ne Ver­mie­tung von Räu­men als Ferien­woh­nung dem Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot unter­stel­le, gehe dies jedoch über den rei­nen Schutz des Wohn­raum­be­stan­des hin­aus und grei­fe inso­weit unver­hält­nis­mäßig in die Grund­rech­te der Eigen­tü­mer und Ver­mie­ter ein. Die be­son­dere Gefähr­dung der Wohn­raum­ver­sor­gung recht­fer­tige es nicht, Eigen­tü­mer zu zwin­gen, gewerb­lich ge­nutz­te Räum­lich­kei­ten in Wohn­raum (zu­rück) zu ver­wan­deln. Die vom Ge­setz ein­ge­räum­te Über­gangs­frist von zwei Jah­ren für Ferien­woh­nungs­ver­mie­ter und die Mög­lich­keit, eine Ge­neh­mi­gung zu bean­tra­gen, könn­ten die mit dem Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot ver­bun­de­nen Rechts­be­ein­träch­ti­gun­gen nicht kom­pen­sie­ren. (Beschlüsse des 5. Senats vom 6. April 2017 (OVG 5 B 14.16 u.a.)

Die Grünen in Berliner Abgeordnetenhaus wiesen darauf hin, dass das Zweckentfremdung-Verbot weiterhin gelte. „Alle anderen gesetzlichen Maßnahmen wie das Thema Leerstand werden weiterhin angewandt“, sagte eine Sprecherin. Die Regierungsparteien hätten sich im Koalitionsvertrag ohnehin darauf geeinigt hätten, das Gesetz zu evaluieren und zu verbessern.