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Mit dem Fahrrad zur Arbeit: Der Chef hilft beim Radkauf – Alles Wichtige für radfahrerfreundliche Arbeitgeber

Was bei Dienstfahrräder zu beachten ist (Foto: Pressedienst-Fahrrad/jobrad.org)

Berlin, 29. Juni 2017 –
Weinenden Auges richten sich die Blicke der deutschen Fahrradfahrer nach Amsterdam und Kopenhagen – da kann man nämlich richtig Rad fahren. Das sind Vorbilder. In deutschen Städten hingegen: Tristesse. Dabei geht es dem deutschen Radfahrer gar nicht einmal so schlecht, wie er denkt. Der Fahrrad-Pressedienst zeigt ausgewählte Beispiele, die für mehr Radverkehr in Deutschland sorgen und positiv die Politik beeinflussen.

Was bei Dienstfahrräder zu beachten ist (Foto: Pressedienst-Fahrrad/ortlieb.com)
Was bei Dienstfahrräder zu beachten ist (Foto: Pressedienst-Fahrrad/ortlieb.com)

Die Idee von Ulrich Prediger war sicherlich wegweisend. „Warum kann mir eine Firma einen Firmenwagen zur Verfügung stellen, aber kein Firmenfahrrad?“, dachte sich der findige Fahrrad-Enthusiast bereits 2008. Er gründete das Unternehmen Leaserad und brachte Schwung in die Diskussion über Fahrrad-Leasing. Das Konzept: Arbeitgeber können per Gehaltsumwandlung ihren Angestellten ein Dienstfahrrad anbieten. Doch die Politik war noch nicht so weit, diese Idee damals schon zu verwirklichen. „Mit viel Einsatz auf politischer Ebene erreichten wir schließlich 2012 eine steuerliche Gleichstellung von Dienstwagen und Dienstfahrrad“, erklärt Prediger heute. Seither hat das Thema an Fahrt aufgenommen, die Zahl an „geleasten“ Fahrrädern steigt. Da das Modell erst bei Fahrrädern ab ca. 750 Euro funktioniert, profitieren sowohl Wirtschaft als auch aktive Nutzer vom Leasing-Angebot. Radfahrer freuen sich über die gewonnene Lust am Radfahren, weil sie so hochwertigere Fahrräder fahren können, als ihnen sonst vielleicht möglich wäre. Der Arbeitgeber freut sich über nachweislich gesündere Angestellte. Und die Fahrradbranche verkauft bessere Produkte. „Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten“, so Prediger.

Der Chef zahlt den Service
Die Folge ist klar: Immer mehr Pendler nutzen das Rad für ihren Arbeitsweg und stellen auch höhere Anforderungen an einen radfahrerfreundlichen Arbeitsplatz. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e. V. (ADFC) hat mit Unterstützung der Europäischen Union die Zertifizierung zum „Fahrradfreundlichen Arbeitgeber“ gestartet. Bislang haben 36 Arbeitgeber in Deutschland diese Zertifizierung erhalten. Dazu zählt der Taschenspezialist Ortlieb aus dem fränkischen Heilsbronn. Die Möglichkeit eines geleasten Rades wird unter den Angestellten bereits angenommen und ist ein Teil des Zertifizierungsprozesses. Zudem engagiert sich Ortlieb offensiv für den Bau von Radwegen, damit das Radpendeln für die Mitarbeiter einfacher wird. Zum Start der Fahrradsaison im März können sich die Angestellten ihr Rad kostenlos von einem örtlichen Händler durchchecken lassen, auch wenn es nicht geleast war. „Das ist in etwa so, als wenn der Arbeitgeber den Service für das private Auto übernehmen würde. Eigentlich unvorstellbar“, meint Peter Kühn von Ortlieb, der selbst leidenschaftlich gern mit dem Rad zur Arbeit fährt. Die Rahmenbedingungen für Radfahrer hätten sich durch die Maßnahmen stetig verbessert. Das Konzept wird von immer mehr Mitarbeitern angenommen und der Arbeitgeber steigert seine Attraktivität. Gerade im ländlichen Raum laut Kühn ein wichtiger Punkt, um Fachkräfte zu gewinnen. Mit einer extra Fahrradstation mit Werkzeug, Lademöglichkeiten und Luftpumpe sind auch die Rahmenbedingungen zum sicheren Abstellen gegeben. Zugang dazu haben nur Mitarbeiter.

Parkstation spart Kosten ein
Alte Felgenkneifer-Abstellanlagen sind übrigens komplett out. Moderne, radfahrerfreundliche Arbeitgeber und Kommunen bieten zeitgemäße Konzepte an. Speziell für Unternehmen hat Stadtmöblierer WSM die Radstation „Bike and Business“ im Angebot. Dank eines modularen Aufbaus lassen sich die Abstellanlagen an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Überdachte Parkmöglichkeiten für das Fahrrad sind dabei nur ein Aspekt. Auch Umkleiden, Duschen, Spinde für Helme, Taschen und Regenkleidung oder ein Service-Bereich mit Fahrradwäsche und Werkstatt sowie eine Akku-Ladestation können direkt in die Station integriert werden. „Lediglich Zugang zu Strom, Wasser und Abwasser müssen gewährleistet sein“, erklärt Andreas Hombach von WSM. Die Kosten für eine Anschaffung rechnen sich laut dem WSM-Sprecher durch Einsparungen für die Erstellung und Instandhaltung von Autoparkplätzen.

Engagement der Mitarbeiter steigern
Statt einer derartigen Station bietet Bekleidungsspezialist Vaude einen großen Fahrradabstellraum inklusive Werkstatt und Duschmöglichkeiten. Darüber hinaus ist das Familienunternehmen aus dem schwäbischen Obereisenbach beispielhaft für ein modernes Unternehmen zu nennen: Eine hauseigene Kita, ein Sportprogramm oder eine Bio-Kantine sind nur einige Beispiele, wie man hier das Wohl der Angestellten bedenkt. „Bereits 54 Kollegen fahren geleaste Firmenfahrräder und schon seit einigen Jahren bieten wir ein Mobilitätslotto. Wer mit dem Rad oder auch in einer Fahrgemeinschaft fährt, kann tolle Preise gewinnen“, schildert Stephanie Herrling die Motivation für die Mitarbeiter, umweltfreundlich zur Arbeit zu kommen. Dieses Jahr gab es eine spezielle Radaktion zum Start in den Frühling. Wer innerhalb des Monats März auf 150 Radkilometer kam, erhielt einen Fahrrad-Service-Gutschein. Insgesamt kamen so allein im März 6.700 Radkilometer zusammen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Der Arbeitsweg mit dem Fahrrad oder E-Bike genießt unter den Mitarbeitern einen wachsenden Stellenwert. Gerade weil es die Firma aktiv unterstützt.

Bund erkennt die Lage
Fördermittel für den Radverkehr hat auch das Bundesverkehrsministerium bewilligt bekommen. Anfang des Jahres wurde dafür dem Bundeskabinett eine Änderung des Bundesfernstraßengesetzes vorgelegt, die dieser Tage in Kraft treten wird. Der Bund darf dadurch den Bau von Radschnellwegen fördern. Auf dieser Grundlage soll nun eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern geschlossen werden, in der die Einzelheiten wie Förderkriterien und Verteilung der Mittel geregelt werden. Ab 2017 stellt der Bund somit erstmals zunächst 25 Millionen Euro jährlich für den Bau von Radschnellwegen den Ländern und Kommunen zur Verfügung. Insgesamt investiert das Bundesverkehrsministerium rund 130 Millionen Euro in den Radverkehr. Laut eigenen Angaben ein Rekordniveau. Für den ADFC allerdings erst der Anfang: Die Vertreter fordern in einem Aktionsprogramm rund 800 Millionen Euro Bundesmittel pro Jahr für den Radverkehr, um den Anteil an Radfahrern weiter zu erhöhen. Die deutschen Radfahrer wird es freuen.