Berlin/Hamburg, 14. November 2017 – Ein Kommentar von Carsten Hennig
Nach der Bundestagswahl war kurz Pause, jetzt geht es wieder los mit den schweren Breitseiten auf das Gastgewerbe: Schlagzeilen wie „Niedriglöhne“ und Enthüllungsberichte wie „Vollzeitjob reicht nicht zum Leben“ sorgen für neuen Imageschaden in Hotellerie und Gastronomie. Ein aktueller der Bericht der „Berliner Morgenpost“ verschärft den PR-Krieg – dagegen versuchen wackere Tophoteliers von der Initiative Fair Job Hotels dagegenzuhalten. Vom Branchenverband Dehoga kommt nichts dazu.
Jeder Beobachter weiß: Solange von ahnungslosen PR-Schreibern angeblich namhafte Hotelkette, die weder Tariflohn zahlen noch in punkto Mitarbeiterförderung mitreden können, hochgeschrieben werden, ist es um das bereits jetzt schon erheblich angekratzte Image des Gastgewerbes schlecht bestellt. Es muss ein Ruck durch die Branche gehen! Schwarze Schafe sind nicht als „bedauernswerte Einzelfälle“ totzuschweigen, sondern in ultima ratio an den Branchenpranger zu stellen. Der ÖHV hatte sich dazu bereits durch gerungen: Wer ohne Einsicht Azubis ausbeutet, wird ausgeschlossen.
Transparenz und proaktive Kommunikation sind überfällig: Wer seriös ist, lässt sich zertifizieren, anonym überprüfen und nennt Verdienstchancen und Aufstiegsmöglichkeiten. Eine wahrlich unabhängige und unbestechliche Selbstüberprüfung in Hotellerie und Gastronomie tut Not. Die altväterliche Mentalität Ewiggestriger, beim Sternecheck zu schummeln wo es irgendgeht und nach einem mahnenden Testbericht dem Checker Hausverbot zu erteilen, hat in der Summe der Jahre dieser wunderbaren Branche mehr Schaden gebracht als Stabilität.
Die Gelegenheit ist günstig: Jungköche wollen TV-Karriere machen, Sternegastronomen werden wie Rockstars angehimmelt und noch immer kann man mit rund 30 Jahren im Topmanagement einer internationalen Hotelkette sein – die Hotellerie und die Gastronomie machen’s möglich. Kaum eine andere Branche bietet so vielfältige Karrierechancen für Jedermann, lokal und international, am rechten Platz als Concierge mit Dekaden Lebens- und Berufserfahrung oder als Toptalent mit Freunden und Kollegen auf der ganzen Welt.
Die bisherigen Strukturen, Tarifverhandlungen und Ausbildungsstandards auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner der semiprofessionellen Nebenbei-Gastronomie entwickeln zu wollen, sind nun abzulösen. Längst gilt: Wer nichts wird, wird auf keinen Fall Wirt – denn: Gute Gastronomie ist längst so anspruchsvoll, dass nur die Besten mit ausgefeilten Businessplänen überleben. Und in der Hotellerie sind mit spätestens mit der alles umwälzenden Digitalisierung und Automatisierung am nächsten Mount Everest der Managementfähigkeiten angelangt. Zwar kann jeder Koch auch GM werden, aber nur bei exzellenter Ausbildung und ausgeprägter Befähigung als echter Hospitality Leader.
Zu niedrige Zimmerpreise und F&B-Preise bleiben weiteren ein schwerer Hemmschuh für höhere Löhne und Gehälter. Ihre Gäste werden es sicherlich verstehen, wenn die Besten an einem Strang ziehen und ihre Preise erhöhen: „Pro gesunde Gastronomie in Ihrer Heimat“ könnte als Arbeitstitel für eine entsprechende Kampagne zur Transparenz von Preisen, Erträgen, Steuern und Gehältern dienen. Man muss sich nur trauen.
Der unwillige Rest bleibt als Billiggastronomie auf der Strecke. Und darum ist wohl nicht schade. Denn den Mutigen und Innovativen gehört die Zukunft!
Carsten Hennig, Jahrgang 1970, ist seit 20 Jahren konstruktiv-kritischer Beobachter in Tophotellerie und Spitzengastronomie. Den Autor erreichen Sie unter [email protected]