Heidelberg, 25. März 2017 –
Das Smartphone ist für die meisten Menschen ein Segen. Doch der tiefere Blick in die Digitalisierung unserer beruflichen Arbeitswelt zeigt: Die digitalen Arbeitswelten bringen Probleme mit sich, vor denen viele Chefs und Personalentscheider immer noch die Augen verschließen. Was in deutschen Unternehmen kaum thematisiert wird, ist in der amerikanischen Wirtschaft längst Erkenntnis: Jeder vierte Arbeitnehmer verbringt während seines Arbeitstages mindestens eine Stunde mit persönlichen Anrufen, E-Mails und Textnachrichten. Die Ursachen sinkender Produktivität liegen nicht an der Existenz der Smartphones, sondern an deren unablässiger Nutzung.
Professor Gerald Lembke rät:
- Thematisieren Sie die private Smartphone-Nutzung im Unternehmen
- Verbote sind schlechte Ratgeber – fördern Sie lieber das Durchbrechen der schlechten Routinen durch Dialoge und gemeinschaftlich vereinbarte Regelungen
- Vermeiden Sie langwierige und -weilige Meetings –, denn dort ist das Smartphone das neue Schiffeversenken
Es sind die ständigen Unterbrechungen vor allem durch Textnachrichten der bekannten Messengerdienste, die den Mitarbeitern das Leben so schwer machen. So ist die Smartphone-Nutzung nicht nur Produktivitätskiller, sondern auch Gesundheitsrisiko, wie die jüngste DAK-Studie belegt („Deutschland schläft schlecht“). Dort zeigt die DAK eine dramatische Entwicklung auf: Vier von fünf Berufstätigen schlafen schlecht. Als Ursache dafür gelten laut DAK unter anderem: Termin- und Leistungsdruck im Beruf und das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen.
Vierfünfteln der Mitarbeiter ist es nachts wichtiger, den Akkustatus ihrer Handys zu kontrollieren als den eigenen Akku aufzuladen. „Der dramatische Anstieg von Schlaflosigkeit in den letzten sechs Jahren gibt Anlass zur Sorge“, so der Berliner Schlafforscher Ingo Fietze. Die Digitalisierung sei ein entscheidender Grund für den schlechten Schlaf, meint zudem DAK-Chef Storm. Dies betrifft vor allem die beruflich Engagierten, die durch „Always-On“ Leistungsbereitschaft und Allzeitverfügbarkeit demonstrieren – auf Kosten ihrer Gesundheit.
Digitaleuphorie schadet der Gesundheit
„Der Zusammenhang zwischen der Digitalnutzung und der eigenen Gesundheit ist in der herrschenden Digitaleuphorie in Deutschland immer noch ein Tabuthema. Das muss sich ändern“, sagt Professor Lembke anlässlich der Veröffentlichung der DAK-Studie. „Wir müssen lernen, dass Abschalten entspannter und zufriedener macht als noch mehr Geräte anzuschalten.“ Der Kollaps drohe, wenn das „Internet of Things“, also die digitale Vernetzung aller Gegenstände tatsächlich Realität würde. Dann wäre ein Abschalten tatsächlich immer weniger möglich. Schließlich müssen die vielen digitalen Transaktionen beim Internet der Dinge ja ständig überwacht werden …
Lembke hält es für grob fahrlässig, diese Themen im Unternehmensalltag zu verschweigen. „Eine Leistungsgesellschaft sollte als Vorbild voranschreiten und müsste die Vorteile eines beschränkten Digitalkonsums längst erkannt haben – und danach handeln!“ fordert Lembke. Doch ein Digitalverzicht scheint im Verständnis vieler Menschen im Widerspruch zu den Erwartungen ihrer Chefs zu stehen. Denn sie sind es, die immer online sind und dies erwarten sie auch von ihren Mitarbeitern.
„Chefs unterliegen einer tragischen Logik“, so Lembke. Mitarbeiter werden nicht produktiver, indem sie abends für ihren Chef erreichbar sind und die Einsamkeit ihrer Chefs kompensieren, sondern indem sie in ihrer Freizeit ein digitalfreies Leben führen können und den Schlaf nicht als Übel der Nichterreichbarkeit verstehen.
Eine Strategie im Umgang mit der Smartphone-Übernutzung muss die Verhinderung der ständigen Unterbrechungen sein, damit sich Mitarbeiter und Chefs ihren originären Tätigkeiten widmen können und Konzentrations-, Arbeits- und Denkflüsse wieder ins Fließen kommen. Resultat einer solchen Abstinenz sind nicht nur eine deutlich höhere Produktivität, sondern auch ein größeres Glücksempfinden und damit ein höheres subjektives Selbstwirksamkeitsempfinden der Mitarbeiter.