Leipzig, 23. März 2017 –
Die Stiftung Kinderblick hat zum Tabuthema sexueller Kindesmissbrauch in der Hotellerie seit 2013 ein Projekt zur Prävention – Wir zum Schutz der Kleinen –. Als Bildungsempfehlung mit passgenauem Schulungsprogramm wird das brisante Thema Kinderpornographie, Kinderprostitution und sexueller Kindesmissbrauch im Umfeld von Hotellerie und Tourismus ein Stück mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Es soll Straftaten durch aufmerksames Hinsehen verhindern – eine Blickoffensive mit aufdeckender Wirkung.
Das eigens für die Hotellerie in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinderschutzbund entwickelte Schulungsprogramm „Schwierige Situationen im Hotel“ leitet zum Wahrnehmen Deuten und Handeln an. Die Schulung rüttelt auf. Sie zeigt die Schattenseiten von vermeintlich untrüglichen Situationen im Hotel. Keine langatmige Theorie sondern Beispiele, anschaulich erklärt und mit entsprechenden Handlungsempfehlungen unterlegt. Hotelpersonal, das oft den Erstkontakt zu den Opfern hat, wird sensibilisiert und auf richtiges Agieren im Verdachtsmoment vorbereitet. Es geht darum, sexuellen Kindesmissbrauch in der Entstehung zu verhindern und nicht in die Falle der Gutgläubigkeit zu tappen. Keinen unter Generalverdacht stellen, nicht Überreagieren sondern Aufpassen.
Ziel ist, dass sich im deutschsprachigen Raum die Hotels mittels der gezielten Mitarbeiterschulung der Stiftung Kinderblick für einen bewussten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch einsetzen und die Schulung in ihr Aus- und Weiterbildungsportfolio integrieren. Die Schulung ist im Selbststudium durchzuarbeiten und wird mit einem Online Wissenstest geprüft. Für bis zu zehn Mitarbeiter je Hotel stellt die Stiftung die Unterlagen kostenfrei zur Verfügung. Mittlerweile haben sich 150 Hotels mit weit über 1.200 Schulungsteilnehmern der Initiative angeschlossen.
Sexueller Missbrauch von Kindern im Tourismus könnte facettenreicher nicht sein. So auch im Hotel – wenngleich diese Fälle selten an die Öffentlichkeit dringen – sind sie traurige Realität. Deshalb wurde dieses Projekt zur Prävention ausschließlich für die Hotellerie angegangen. Quasi als Augenöffner, der aufzeigt wie die Hotellerie ganz ungewollt anonymer Raum dafür sein kann – oftmals völlig unwissend und unentdeckt.
Angesichts der Zahlen (13.928 Kinder unter 14 Jahren, davon 1.787 Kinder unter sechs Jahren wurden in 2015 Opfer von sexuellem Missbrauch lt. Kriminalstatistik Bundesministerium des Innern) sollte es höchste Priorität sein, dieses Verhalten zu stoppen. Das Dunkelfeld ist gewaltig, da viele Missbrauchsfälle unerkannt bleiben und nicht zur Anzeige gebracht werden. Dazu gehören auch die Phänomene Cybergrooming (Handlungen von Erwachsenen, die sich im Netz als Kinder ausgeben um sexuelle Kontakte zu Kindern zu knüpfen) so wie Beschaffung von Kinderpornographie und deren Nutzung im Internet – Tendenz steigend.
Der Spielfilm ‚Operation Zucker’, basierend auf einer Dokumentation wahrer Fälle von Kinderprostitution in der Hotellerie öffnete seinerzeit Hotelier Lars Ellenberger die Augen: ein Hotel ist ein Ort der besonderen Verantwortung und ein Hotelzimmer ein anonymer Raum. Er setzte sich mit dem brisanten Thema auseinander und gründete im Sommer 2013 mit drei weiteren Hoteliers die gemeinnützige und treuhänderische Stiftung Kinderblick. Immer wieder erstaunlich wie wenig die Hotellerie um das Ausmaß des Dilemmas weiß, insbesondere den jüngeren Kollegen mangelt es an Vorstellungskraft.
Weitreichenden Bekanntheitsgrad erzielte die Stiftung durch das Engagement der Intercontinental Hotels Group als Charity Projekt. Die Willy Scharnow-Stiftung für Touristik zeichnet 2015 für das exzellente Ausbildungsprogramm aus und 2016 wird die Stiftung Kinderblick Kooperationspartner von der Organisation TourCert, die nachhaltigen Tourismus durch Bildungsprogramme fördert.
Aufklärung mit Signalwirkung: Hotels und deren Mitarbeiter werden zunehmend mehr, die dankbar für die Richtungsweisung sind und damit für Mut und Zivilcourage eintreten. Zitat einer Hotelmitarbeiterin aus dem The Westin Bellevue Dresden: Vielen Dank für die Aufklärung – wenn ich jetzt durchs Hotel gehe nehme die Kinder mit ganz anderen Augen wahr. Als bemerkenswerte Initiative betitelt Hotelier Reimer Eisenberg vom Anders Hotel Walsrode das Präventionsprojekt und entschließt sich, die gesamte Belegschaft zu schulen. Auch das Management der Ancona Hotels mit Sitz in Rostock hat sich Anfang 2017 entschlossen, das Empfangspersonal aller dazugehörigen 16 Häuser in die Pflicht zu nehmen und setzt die Schulung der Stiftung Kinderblick ein.
Beste Prävention läuft ins Leere wenn nicht Intervention gewährleistet. Bewusst provokant mahnt Lars Ellenberger immer wieder auf branchenrelevanten Vorträgen an, dass es einer gesamtgesellschaftlichen Sensibilisierung für sexuelle Gewalt und ein Verantwortungsbewusstsein von ganz vielen Akteuren im Weiterbildungssystem der Hotellerie bedarf. Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt müssen überall zum gelebten Alltag werden. Eine unbestreitbare Notwendigkeit, die auch die Hotellerie nicht ignorieren kann.
Interessierte Hotels können sich unter nachstehendem Link zu Schulung anmelden:
http://www.kinderblick.org/schulungsanmeldung.html