Berlin, 02. November 2017 –
Mobile Arbeit breitet sich aus. Sie kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, aber auch zu Entgrenzung führen. Erwerbsarbeit wird mobil: Statt im Büro oder der Fabrik können mehr und mehr Beschäftigte ihre Aufgaben auch am heimischen Schreibtisch, im Zug oder im Café erledigen. Christian und Alexander Piele haben Ausmaß und Auswirkungen dieser Entwicklung im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekts „Leben und Arbeiten in Flexibilität“ ausgelotet. Dafür haben die Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Daten der IG Metall-Beschäftigtenbefragung 2017 ausgewertet, die auf Angaben von 680 000 Teilnehmern beruhen. Zusätzlich flossen Ergebnisse einer Befragung von rund 2000 Betriebsräten in die Analyse ein.
Der Untersuchung zufolge bieten 43 Prozent der Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie mobiles Arbeiten an. Insgesamt 20 Prozent der Beschäftigten dürfen an einem selbstbestimmten Ort außerhalb der Betriebsstätte arbeiten, zwei Drittel von ihnen allerdings nur mit Begründung. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Betriebsgröße. Von den Firmen mit weniger als 100 Arbeitnehmern ermöglichen 37 Prozent räumliche Flexibilität, ab 3000 Mitarbeitern sind es 69 Prozent. Auch die Branche wirkt sich aus – die Quote reicht von knapp 31 Prozent in der Metallerzeugung bis zu 60 Prozent in der Elektroindustrie.
Ansonsten ist vor allem die Art der Tätigkeit maßgeblich: Akademiker dürfen eher zu Hause oder unterwegs arbeiten als Geringqualifizierte, Führungskräfte eher als ihre Untergebenen. Wer sich direkt in der Produktion verdingt, hat vergleichsweise selten diese Möglichkeit. Dasselbe gilt für Schichtarbeiter. Kinder unter 14 Jahren verbessern die Aussichten auf mobile Arbeit. Von den Beschäftigten, die zwar mobil arbeiten könnten, dies aber nicht tun, nennt ein Drittel fehlende technische Voraussetzungen als Grund. Bei einem Drittel liegt es am Vorgesetzten. Ein Fünftel verweist auf die räumliche Situation, hat also daheim beispielsweise kein geeignetes Arbeitszimmer. Dass der Datenschutz außerhalb der Betriebsstätte nicht gewährleistet wäre, gibt ein Zehntel zu Protokoll.
Grundsätzlich genießt mobile Arbeit einen guten Ruf: 90 Prozent aller Befragten finden es gut, den Arbeitsort selbst auswählen zu dürfen. Diejenigen, die diese Möglichkeit haben, berichten zu 86 Prozent, dass sie dadurch Beruf und Privatleben besser unter einen Hut bekommen. Zudem geben vier Fünftel an, dass sie ungestörter arbeiten können. Die Schattenseiten: 30 Prozent der potenziellen Mobilarbeiter haben Angst, jenseits vom Betriebsgelände mehr leisten zu müssen, weil ihr Tun nicht ausreichend wahrgenommen wird. Fast ein Fünftel hat Schwierigkeiten, eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Hier seien feste Regeln zur Erreichbarkeit gefordert, mahnen die Autoren. Wenn Entgrenzung droht, müssten Vorgesetzte eingreifen.
Als problematisch erweist sich die in etlichen Betrieben herrschende Präsenzkultur: 29 Prozent der mobilen Arbeiter fühlen sich durch viele Termine mit Anwesenheitspflicht behindert. Ein Viertel attestiert negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Kollegen. Ebenfalls knapp ein Viertel befürchtet, unwissentlich gegen Regelungen – beispielsweise zum Datenschutz oder zu Arbeitszeiten – zu verstoßen. Dass die außerhalb vom Betrieb geleistete Arbeit nicht vergütet wird, beklagen zehn Prozent.
Die Folge: Fast drei Viertel der Befragten, die mobil arbeiten können, nehmen diese Option maximal zwei Tage im Monat in Anspruch. Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen machen das häufiger – wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Tatsächlich wird ihnen diese Möglichkeit nicht häufiger eingeräumt als anderen Arbeitnehmern. Nach Einschätzung der IAO-Experten deutet das darauf hin, dass die Unternehmen hier noch nachbessern könnten.