Ein unerhörter Zwischenruf von Carsten Hennig
Hamburg, 03. November 2017 –
Die Digitalkonferenz sind ausgebucht, die Zuhörer gebannt – doch bei der Umsetzung hapert es gewaltig: Die Digitalisierung in Hotellerie und Gastronomie ist in den meisten Gastbetrieben so überfällig wie die seit rund 15 Jahren ausstehende Ausbildungsreform. Wie kommt das Neue in die Welt, fragen sich immer öfter Marktbeobachter und beklagen die noch weit verbreitete Beratungsresistenz unter Profigastgebern. Neben nötiger Aufmerksamkeit (ist da!), mehr Verständnis für technische Zusammenhänge (ist noch sehr ausbaufähig!) ist der Wille zu den ersten Schritten (Agilität & Change Management!) die alltägliche Not.
Totschlagphrasen wie „Verdrängt die Technologie den Faktor Mensch?“ oder „Warum ich gegen die Digitalisierung bin“ zeugen nur von ängstlicher Skepsis und lässt selbst gestandene Unternehmer wie designierte Verlierer erscheinen. Längst trennt sich in Sachen Digitalisierung die Spreu vom Weizen und offenbart „Designated Survivors“. Technologische Vorreiter wie Tobit Software, die ihre Serviced Apartments und ihre unternehmenseigenen Gastronomie volldigitalisiert haben (Check-in, Zimmerzutritt per Smartphone, mobiles F&B-Ordering, automatisierte Abrechnung per Handy) zeigen wohin der Weg führt. Auch ewiggestrige Skeptiker werden dabei keinen einzigen Roboter oder kein krudes Bildschirmmenü sehen, was unpersönlich wirken könnte – in Westfalen wird für die Gastronomie die Geschichte neu geschrieben, im Sinne von Servicequalität (das per Handy nachbestellte Glas Bier wird nach knapp zwei Minuten persönlich serviert) und technologischer Effizienz (Gastromitarbeiter erhalten am Ende ihrer Schicht sofort die Stundenabrechnung auf ihrer „Chayns“-Konto gutgeschrieben).
https://soundcloud.com/hoteliertv/good-morning-hoteliers-150-die-digitale-geschaftsidee-zahlt
Digitalisierung und Agilität von Führungskräften und Entscheidern sind oftmals zwei verschiedene Welten. Wissen und wollen sind die Gretchenfragen einer stark unter Druck stehende Branche: Die prekäre Mitarbeiter- und Nachwuchssituation treiben Digitalisierung und Automatisierung im Gastgewerbe mit Verve voran – doch noch immer scheint es bei vielen am Mut zu den nötigen ersten Schritten zum fehlen. Ersetzt ein Check-in-System per Smartphone tatsächlich den persönlichen Gästekontakt? Nein! Nur: es macht alles effizienter und unterstützt die geplagten FOMler die Servicequalität bei wirklich wichtigen Fragen der Gäste zu erhöhen. Auch die Auflagen zum Meldezettel lassen sich lösen: Das Bundesmeldegesetz lässt bislang Lücken, wann und wo der Meldezettel vom Gast ausgefüllt werden muss und wie Hoteliers dies überwachen bzw. kontrollieren sollen. Als Tatschlagargument (gegen Conichi & Co) ist das kaum mehr geeignet; in der Tat ist hier eher eine Petition zur Novellierung des überholten Gesetzes notwendig.
Nicht nur „Digital Natives“ ist klar: Ohne neue Geschäftsideen und Entrepreneur-haftes Vorausdenken ist die berufliche Zukunft kaum erfolgsverheißend. Der Einstieg von Digital-Neulingen gelingt oft per Trial & Error: Wann, liebe Hoteliers, haben Sie zuletzt Ihr Hotel selbst gebucht, einmal über ein OTA und einmal über die eigene Hotel-Webseite? Und dies innerhalb von rund drei Minuten? Mit Sinn und Gespür für grundlegende digitale Anwendungen beginnt die neue „Decider Journey“ in der alles mitbestimmenden Welt von Bits & Bytes. Wer sich weiterhin hartnäckig weigert, Smartphone, Tablet und Desktop-Computer für alle Businessbereiche einzusetzen – und tatsächlich der festen Überzeugung ist, mit Facebook-Likes doch längst digitalisiert sein zu sein… – ist, salopp gesagt, Reiter eines totes Pferdes kurz vor dem Abwurf.
War das jetzt zu hart? Zuviel des Guten? Jaja, immer dieser Mahnungen von selbsternannten Digitalauguren… Umstimmen lässt man sich vielleicht durch den täglichen Zweckzynismus von IT-Evangelisten, die stets dasselbe zu beklagen wissen: Über Digitalisierung reden kann mit allen, nur unternehmen tun die allerwenigsten etwas. Es ist an der Zeit, den „Digitalen Hotelier“ zu fordern und zu fördern, als „Digital Survivor“. Jede Fachkonferenz der Hotellerie, die nicht mit diesem Masterthema eröffnet, wird vertane Zeit sein. Die Spreu hat sich längst vom Weizen getrennt: Auf welcher Seite wollen Sie stehen?
Schön, dass Sie diesen Absatz auch noch lesen möchten!
Sie sind auf dem besten Wege in die digitale Zukunft. Dringende Digitalisierung ist nun in diesen Bereichen anzupacken:
- Booking & Revenue Management
- Check-in / Zutrittssysteme
- F&B Ordering
- Recruiting
- Purchasing
- Arbeitsorganisation in Küche, Lager, Buchhaltung
Über den Autor: Carsten Hennig, Jahrgang 1970, ist als Journalist, Medienmacher und Key-Note-Speaker voll von der Digitalisierung betroffen, und begeistert. Seine redaktionelle Zeitungs-Karriere begann er noch an einer Schreibmaschine, die ersten Gehversuche im Fernsehen noch mit Magnetbändern. Als Anchorman von HOTELIER TV & RADIO und als kritischer Kolumnist begleitet er Tophotellerie und Spitzenhotellerie mit seinem „Insights“ seit nunmehr 20 Jahren und macht „behind the curtains“ auf die enormen Marktveränderungen weltweit aufmerksam. Sie erreichen den Autor unter: [email protected]