Berlin, 22. November 2017 –
Der Dehoga kämpft für eine flexible Wochenarbeitszeit, dabei sind Regelungen wie Arbeitszeitkonten und auch die sog. Vertrauensarbeitszeit jederzeit möglich. Ob in Zeiten prekärer Personalprobleme die politische Kampagne des Branchenverbandes geschickt angelegt ist, darf überprüft werden. Fakt ist: Das Mindestlohngesetz ermöglicht es, Überstunden in ein schriftlich vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen. Diese Arbeitsstunden sind dann spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen.
Zwei Broschüren klären über flexible Arbeitszeitmodelle auf:
- Flexible Arbeitszeitmodelle – Überblick und Umsetzung (https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/A49.html;jsessionid=1E554771C593A21122095985C3D3B117.s1t1)
- Fachkräfte sichern – Flexible Arbeitszeitmodelle (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ausbildung-und-Beruf/fachkraefte-sichern-flexible-arbeitszeitmodelle.pdf?__blob=publicationFile&v=3)
Die Arbeitszeit bestimmt den Lebensrhythmus vieler Beschäftigter. Damit ausreichend Lebenszeit für Familie, Freizeit und Regeneration bleibt, begrenzt das moderne Arbeitszeitrecht einerseits die Arbeitszeit. Andererseits ermöglicht es innerhalb eines definierten Rahmens flexible Arbeitszeiten und fördert damit die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen. Doch nicht nur die Unternehmen, auch die Beschäftigten profitieren von flexiblen Arbeitszeiten. Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit gestalten können, gelingt es oft besser, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Zur Verfügung stehen insgesamt 16 verschiedene Arbeitszeitmodell. Dazu gehören neben schon etablierten Modellen wie Gleitzeit, Teilzeit oder Mehrarbeit auch neuere Formen wie Jobsharing oder Funktionsarbeitszeit.
Das klassische Angestelltenverhältnis als Auslaufmodell: Drei Viertel aller Deutschen sind bereit für neue Arbeitsformen
Wer sich heute gegen ein klassisches Angestelltenverhältnis entscheidet, tut dies nicht aus Not, sondern weil flexible Arbeitsmodelle mehr Vorteile versprechen. Mehr als drei von vier Menschen (77%), die in Form von Projekt- und Zeitarbeit, Zeitverträgen oder freiberuflicher Tätigkeit flexibel arbeiten, haben sich bewusst dafür entschieden. Diese neue Art, berufliche Aufgaben zu erledigen, ist für große Teile der Bevölkerung in Deutschland attraktiv. 77 Prozent der insgesamt Befragten können sich vorstellen, Arbeitszeitmodelle jenseits des klassischen Angestelltenverhältnisses zu nutzen – und zwar unabhängig davon, in welcher Form sie heute beschäftigt sind. Die Gründe hierfür sind der Wunsch, das eigene Einkommen kurzfristig aufzustocken, sich weiter zu qualifizieren oder das Zusammenspiel aus Arbeit und Privatleben flexibler gestalten zu können. Dies sind Ergebnisse der Studie “NextGen: Arbeitsmodelle der Zukunft”, für die die Manpower Group 9.500 Menschen in zwölf Ländern befragt hat.
Die Dynamik auf den Arbeitsmärkten steigt zunehmend: Im Zuge des demografischen Wandels und der digitalen Transformation ändert sich auch die Nachfrage nach Fähigkeiten und Qualifikationen immer schneller. Zugleich wird das klassische Angestelltenverhältnis zunehmend zum Auslaufmodell. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren waren beispielsweise in den Vereinigten Staaten die größten Stellenzuwächse im Rahmen von unkonventionellen, alternativen Beschäftigungsformen zu verzeichnen, also Projekt- und Zeitarbeit, Zeitverträge oder freiberufliches Arbeiten. Sie lassen sich zusammenfassen als Arbeitsmodelle der nächsten Generation – als NextGen-Arbeit.
Diese NextGen-Arbeit ist für die meisten Befragten keineswegs nur eine Notlösung, weil gerade kein traditioneller Angestelltenjob zu finden ist. Mehr als drei Viertel der Befragten in Deutschland setzen bewusst auf ein NextGen-Arbeitsmodell. Nur jeder fünfte Befragte (20%) gibt an, auf Zeit- und Projektarbeit, Zeitverträge oder freiberufliches Arbeiten zu setzen, weil dies seine einzige Alternative war. 83 Prozent der Menschen, die flexibel arbeiten, möchten das auch in Zukunft tun. Und sieben von zehn Festangestellten (71%) halten es für möglich, dass auch sie sich in naher Zukunft für ein flexibles Arbeitsmodell entscheiden.
Viele suchen Alternativen zum klassischen Angestelltenverhältnis
“Viele Menschen entscheiden sich heute bewusst für Alternativen zum klassischen Angestelltenverhältnis, weil sie dadurch mehr Möglichkeiten sehen, sich auszuprobieren oder Arbeitsleben und Familie besser in Einklang zu bringen”, sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung der ManpowerGroup Deutschland. “Zugleich bietet NextGen-Arbeit die Chance, sich permanent weiterzuentwickeln und so den eigenen Wert auf dem Arbeitsmarkt zu steigern.”
78 Prozent der Menschen, die flexibel arbeiten, schätzen daran die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erwerben. Doch auch Menschen in klassischen Arbeitsverhältnissen erkennen häufig die Vorteile von NextGen-Arbeitsmodellen. 31 Prozent der Befragten sagen, dass diese Modelle wegen der Möglichkeit, verschiedene Stellen und Positionen auszuprobieren, für sie attraktiv sind. Knapp jeden Fünften (19%) reizen die zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten. Ebensoviele schätzen die Möglichkeit, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. “Flexibler zu arbeiten als bisher, entspricht den Bedürfnissen vieler Arbeitnehmer. Die Unternehmen müssen nun die richtigen Voraussetzungen schaffen, um diesen Menschen das zu bieten, was sie wollen. Flexibilität, Verantwortung und Beschäftigungssicherheit schließen einander nicht aus”, sagt Herwarth Brune. “Im Gegenzug sind Beschäftigte in der Pflicht, gefragte Fähigkeiten und Qualifikationen zu erwerben, mit denen sie auch morgen auf dem Arbeitsmarkt bestehen können.”
Deutschland hinkt hinterher
Trotz der Offenheit vieler Beschäftigter hierzulande für das Thema flexible Arbeitsmodelle ist Deutschland kein Vorreiter auf diesem Gebiet. Im Gegenteil: Zusammen mit den Niederlanden und Japan gehört Deutschland zu den Ländern mit der vergleichsweise geringsten Akzeptanz für NextGen-Arbeit. In Schwellenländern wie Indien und Mexiko, aber auch in Industrienationen wie den USA, Großbritannien, Italien und Australien ist es selbstverständlicher, auf Alternativen zum klassischen Angestelltenverhältnis zu setzen. Dort zeigen die Befragten durchweg eine größere Offenheit für alternative Arbeitsmodelle.
Hierzulande steht bei 38 Prozent der Befragten der Wunsch im Vordergrund, mit einem NextGen-Arbeitsmodell die Zeit bis zu einer längerfristigen, unbefristeten Stelle zu überbrücken. International erwähnt nur jeder Vierte (25%) die Warteposition als Motiv. Vielmehr steht weltweit die Möglichkeit, nach Bedarf dazuzuverdienen, meist im Vordergrund, wenn Menschen flexibel arbeiten. 38 Prozent der Befragten weltweit geben an, deshalb auf NextGen-Arbeit zu setzen. In Deutschland sind es lediglich 19 Prozent. Weltweit schätzen 32 Prozent der Befragten auch die Autonomie über den eigenen Zeitplan, die es erlaubt, die Arbeit zum Beispiel an familiäre Erfordernisse anzupassen. In Deutschland gilt dies nicht einmal für jeden Fünften (19%).
Insgesamt werden von deutschen Befragten die Potenziale flexibler Arbeitsmodelle, das eigene Arbeitsleben im positiven Sinne zu prägen, relativ selten genannt. Das deutet darauf hin, dass das Thema Flexibilisierung der Arbeit hier noch vielfach mit Vorbehalt gesehen wird. Das überrascht – plädieren doch mittlerweile sogar Gewerkschaften für mehr Flexibilität bei den Arbeitsmodellen. So fordert die IG Metall in ihrer aktuellen Tarifrunde etwa, dass Beschäftigte auf Wunsch ihre Arbeitszeit temporär auf bis zu 28 Stunden pro Woche reduzieren können. Nach Ansicht der Gewerkschafter sollen die Arbeitszeiten sich dem Leben anpassen – und nicht andersherum.
Für die Studie befragte die Three Group im Auftrag der ManpowerGroup im Rahmen einer weltweiten quantitativen Studie 9.550 Erwachsene im Alter zwischen 18 und 65 Jahren aus zwölf Ländern (Australien, Frankreich, Deutschland, Indien, Italien, Japan, Mexiko, die Niederlande, Spanien, Schweden, Großbritannien und die USA). In Deutschland wurden 795 Personen befragt.
BWA-Arbeitsreport: Flexibilität wichtiger als Sicherheit am Arbeitsplatz
Die Flexibilität am Arbeitsplatz ist für die Mehrzahl der Beschäftigten heutzutage wichtiger, als die langfristige Arbeitsplatzsicherheit. Dies stellt eine Kernaussage des aktuellen Arbeitsmarktreports “New Work” der BWA Akademie (“Consulting, Coaching, Careers”) dar. Dem Bericht liegt eine Umfrage unter 100 Personalexperten aus der deutschen Wirtschaft zugrunde.
Dabei vertreten 81 Prozent die Auffassung, dass flexible Arbeitszeiten zu den besonders attraktiven Angeboten eines Arbeitgebers gehören. 78 Prozent (Mehrfachnennungen waren erlaubt) halten einen flexiblen Arbeitsort bzw. die Möglichkeit zum Arbeiten im Home Office für wünschenswert. 69 Prozent plädieren für Teilzeitmodelle. Hingegen wird eine langfristige Sicherheit des Arbeitsplatzes nur von 57 Prozent der Fachleute als besonders wichtig eingestuft.
Für den Wunsch nach mehr Flexibilität über den klassischen 9-to-5-Job im Büro hinaus sprechen laut BWA-Report gleich mehrere Gründe. So gehen 81 Prozent der Personalexperten davon aus, dass viele Arbeitnehmer in einer anderen Umgebung kreativer sind, als im Büro. 79 Prozent (Mehrfachnennungen erlaubt) befürworten es, wenn Arbeitnehmer ihre individuellen “geistigen Höchstphasen” zum Beispiel am frühen Morgen, am späten Abend oder gar nachts zugunsten des Arbeitgebers einsetzen können. 68 Prozent vertreten die Auffassung, dass die Arbeitnehmer durch die erhöhte Flexibilität zufriedener werden und dadurch freiwillig mehr arbeiten als im Büro.
Flexibilisierung ist unerlässlich
“Um junge Talente anzuziehen und High Performer zu halten, ist eine zunehmende Flexibilisierung unerlässlich”, sagt BWA-Geschäftsführer Harald Müller. Er ergänzt: “Es sollte sich nicht mehr die Frage nach dem ‘ob’ stellen, sondern nur noch nach dem ‘wie’. Unternehmen, die diesbezüglich keine attraktiven Angebote unterbreiten, drohen künftig an der demografischen Struktur im Betrieb zu ersticken.” Allerdings sehen die Experten auch die Nachteile der Flexibilität: gemeinsame Meetings lassen sich schwerer arrangieren (65 Prozent) und der informelle Wissenstransfer etwa an der Kaffeemaschine geht verloren (61 Prozent). 57 Prozent befürchten eine verstärkte Ablenkung von der Arbeit außerhalb des Büros, 51 Prozent vermissen die unmittelbare Kontrolle vor Ort
Teambuilding bleibt weiterhin wichtig
BWA-Geschäftsführer Harald Müller lässt diese Argumente nicht gelten: “Im Zeitalter von Telefonkonferenzen und Messaging lässt sich Kommunikation auch ohne eine permanente Anwesenheit im Büro organisieren. Allerdings müssen die Personalabteilungen natürlich Wege finden, das soziale Geflecht im Unternehmen nicht auseinanderbrechen zu lassen. Hierzu gibt es ein ganzes Spektrum an Teambuilding-Maßnahmen, auf die die Personalverantwortlichen zurückgreifen können. Schließlich bleibt Teambuilding auch in Zukunft für die Motivation der Belegschaft wichtig.”
Ebenfalls wichtig ist nach Einschätzung von 65 Prozent der im Rahmen des BWA-Reports gefragten Personalfachleute ein interessantes Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten. 61 Prozent stufen den Dienstwagen gerade angesichts der zunehmenden Flexibilität als bedeutsam ein. 59 Prozent plädieren für attraktive Bonusprogramme, 57 Prozent für zusätzliche Urlaubstage und 48 Prozent für Unterstützung bei der Kinderbetreuung.
Bei aller Flexibilität in den aktiven Arbeitsjahren stellt die finanzielle Absicherung im Alter ein wesentliches Argument bei der Wahl des Arbeitgebers dar, hat die BWA-Studie ermittelt. So halten zwei Drittel der Personalfachleute eine betriebliche Rente für unerlässlich, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. BWA-Chef Harald Müller verweist auf aktuelle Erhebungen, denen zufolge sich die Mehrheit der Deutschen (57 Prozent) von Altersarmut bedroht sieht.
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Arbeitszeit in der Gastronomie: Wem Zeitkonten nützen
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